Prof. Viola Mokrosch Pianistin
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Das Interview im Wortlaut
Viola Mokrosch, wie bringen Sie Ihre vielfältigen musikalischen Aktivitäten und die Familie unter einen Hut?
Das macht mir gerade Freude, Musik in ihrem Kontext zu
sehen zum gelebten Leben.
Meine Kinder waren für mich eine wichtige Inspirationsquelle, für
Gedanken zur musikalischen Früherziehung für Konzerte für Kinder,
Musiksendungen beim Rundfunk, bei denen sie mitwirkten: singend, sprechend,
Geige und Cello spielend.
In jedem Fall gehört zur musikalischen Arbeit, zur
Vorbereitung auf Konzerte, auf den Unterricht, für Projekte unterschiedlichster
Art Zeit, Vertiefung und Konzentration. Die Bedingungen dafür zu gestalten,
dies gelang mir mal mehr und mal weniger: ein Balanceakt.
Was freut Sie besonders und was können Sie überhaupt nicht leiden?
Mich freut, wenn ich gelingendes Leben empfinde, wenn
Situationen gemeistert werden, auch wenn sie schwierig sind. Wenn Beziehungen
zwischen Menschen glücken in der Weise, dass einer den anderen zum Blühen
bringt.
Und wenn dazu auch noch ein Schuss Sinnlichkeit dabei
ist, der dem Blühen weiterhin verhilft.
Dazu gehört eine gewisse Wärme in der Kommunikation und der Wunsch,
trotz des Bewahrens der Eigenständigkeit, doch den anderen zum Zuge kommen
zu lassen – das finde ich wunderbar.
Was ich sehr schwer verkrafte ist, wenn ich bemerke, dass Arroganz im Spiel
ist, Kälte, mangelnde Bereitschaft, Situationen, Probleme, Geschehnisse
positiv anzugehen.
Ihr Lebensmotto?
Ein Spruch aus dem 17. Jahrhundert bedeutet mir viel:
„Stehe, soweit ohne Selbstaufgabe möglich, in freundlicher Beziehung
zu allen Menschen. Äußere deine Wahrheit deutlich und klar und höre
anderen zu. Erhalte Dir den Frieden in Deiner Seele.“ (aus
der St. Paul´s Cathedral. Baltimore. 1692)
Ich habe erfahren, dass die verschiedenen Lebensphasen mit ihren ganz speziellen
Herausforderungen - dazu gehört auch Schmerz und Verzicht - zum Leben dazugehören
und akzeptiert werden müssen. So schwer der Frieden der Seele auch zu erreichen
ist, so ist er doch das Ziel, meine ich.
Empfinden Sie sich als „starke Frau“?
Stärke kann viele Facetten haben, auch unbemerkte.
Sie kann sich in Schwäche oder Zartheit, hoher Sensibilität und Reflektiertheit
äußern. Stärke kann in jedem Menschen erkannt werden.
Bei mir könnte sie darin bestehen, dass ich bereit bin, mich intensiv für
Aufgaben zu engagieren und Herausforderungen anzunehmen, die mir wirklich wichtig
erscheinen. Und dazu gehört für mich auch, Widerständen entgegenzutreten,
unbequeme Standpunkte zu beziehen und den eigenen Zielen treu zu bleiben –
unabhängig von Karriereideen oder bequemen Anpassungsvorstellungen.
Die Musik selbst, Poesie und Humor sind wichtige Kraftquellen. Ich lache gern,
und ich bin sehr dankbar für Menschen, deren positiver Zustrom mir entgegenkommt.
Genauso bereichernd empfinde ich es, wenn ich anderen Menschen Mut machen kann,
jungen Frauen, Studentinnen etwa, sie zu bestärken, ihren Weg selbstbewusst
zu gehen.
Haben Sie einen Tipp für Musikerinnen, die erfolgreich sein wollen?
Nicht nach rechts und links schauen, auf schnellen Erfolg
hin sich zu programmieren, sondern wirklich danach zu streben, das, was einen
unbedingt angeht, zu verfolgen, natürlich immer in Zusammenhang mit dem,
was mir von außen auch an Zustrom, an Zuneigung, entgegenkommt. Ohne andere
Menschen kann niemand allein etwas erreichen, also auch nicht junge Musikerinnen.
Die letzten Jahrzehnte in der Frauenbewegung, in der musikalischen Orientierung
auf dem Gebiet der Komponistinnen haben gezeigt, dass die gegenseitige Bestärkung
zu einem unglaublichen Reichtum führt.
Im Moment können wir auch ein bisschen stolz
sein auf 25 Jahre "Arbeitskreis Frau und Musik". Hier können
wir sehen, was durch viel Arbeit von vielen Frauen und Männern geschehen
ist. Darüber können wir uns wirklich freuen.
Was bedeutet Ihnen Musik?
Mich fasziniert die Verbindung von Sinnlichkeit und Geistigkeit,
die mich immer wieder zu neuem Suchen und Erkennen animiert.
Da gibt es die zwei Bereiche:
- das Gebundensein an den Körper, das Instrument, den Raum - der sinnliche
Bereich.
- und andererseits die Musik selbst, sie ist schwingende Luft, sie ist immateriell,
sagt aber unglaublich viel aus, spricht direkt zur Seele - der geistige Bereich.
In der Musik ist es möglich, auch Gefühl und
Verstand ohne Trennung miteinander zu erleben.
Wichtig in allem scheint mir Geschmeidigkeit
zu sein, im körperlichen wie im geistigen Sinne, Wachsamkeit, ein permanentes
Sich-Infrage-Stellen und dennoch Vertrauen zu haben in das Leben und in die
musikalische Aktion, die ja alles Leben widerspiegelt - von der innigsten Zartheit
bis zur gebündelten Energie.
Musik spricht zwar aus sich selbst. Und doch habe ich
erfahren, dass es für das Publikum wichtig sein kann, Brücken des
Verstehens zu bauen, bei Konzerten mit einem speziellen Thema etwa oder bei
unbekannten Werken. Die Weltsprache Musik ermöglicht - auch im internationalen
Kontext - einen direkten Kontakt auf nonverbaler Ebene. Es ist herrlich, diese
Unmittelbarkeit mit Musikern und dem Publikum zu erleben.
Das Interview führte Sonia Wohlfarth Steinert 2005